23.10.24
Digitale Barrierefreiheit: Bald Pflicht für Unternehmen
Nach dem European Accessibility Act kommt nun auch das BFSG. Damit wird ein gewisser Standard an Barrierefreiheit im Internet für eine Vielzahl von UnternehmerInnen 2025 Pflicht. Welche Branchen das betrifft und was das im Detail für UnternehmerInnen bedeutet, erfahrt ihr in diesem Beitrag.
First Things First:
Was ist das Barrierefreiheitsstärkungs-gesetz?
Das BFSG ist ein wichtiges Gesetz, das Europa einen Schritt näher in Richtung inklusive Gesellschaft bringen soll. Es zielt darauf ab, digitale Dienstleistungen für alle Menschen zugänglich zu machen. Bereits seit 2021 sind alle öffentlichen Stellen in Deutschland zur barrierefreien Gestaltung von Dokumenten, Webseiten und mobilen Anwendungen verpflichtet. Das BFSG erweitert diese Verpflichtungen für Hersteller, Händler und Importeure bestimmter Produkte und Dienstleistungen.
Wichtig:
Alle im BFSG aufgeführten Produkte und Dienstleistungen, die nach dem 28.06.2025 bereitgestellt werden, müssen barrierefrei sein. Dies betrifft unter anderem den gesamten Online-Handel, Software und Hardware, Bankdienstleistungen und den Personenverkehr.
Die Bedeutung der Barrierefreiheit von Webseiten
Digitale Barrieren betreffen nicht nur Menschen mit Behinderungen, temporären Einschränkungen, Techniklaien oder ältere Menschen, sie betreffen alle Menschen. Denn ein nicht untertiteltes Video kann für jeden in einer lauten Umgebung zum Problem werden, nicht ausreichende Kontraste können auch für alle Personen Inhalte schwierig zu erfassen machen und ein gebrochener Arm kann es nahezu unmöglich machen, die Maus zu bedienen – ganz banal gesagt natürlich. Die Barrierefreiheit ist somit ein Investment für alle Menschen. Einige Personengruppen sind jedoch wirklich darauf angewiesen. Für eine Inklusion aller Personengruppen, gibt es deshalb gewisse Maßnahmen, um eine digitale Barrierefreiheit zu ermöglichen.Digitale Barrieren umfassen
- Wahrnehmung: Schwierigkeiten beim Erkennen von Inhalten.
- Bedienung: Probleme bei der Interaktion mit der Webseite.
- Verständlichkeit: Unklare Informationen und Navigation.
Vorteile der digitalen Barrierefreiheit
1. Barrierefreiheit und SEO:
Eine barrierefreie Webseite verbessert die Nutzerfreundlichkeit und hat positive Auswirkungen auf das Suchmaschinenranking. Suchmaschinen profitieren von optimierten Inhalten, die leichter zu erfassen sind.2. Bessere Usability:
Zufriedene Nutzer bleiben länger auf der Webseite und interagieren mit den Inhalten, was zu einer höheren Conversion-Rate führt.3. Soziale Verantwortung:
Als UnternehmerInnen haben wir die Pflicht, Informationen für alle Menschen zugänglich zu machen – unabhängig von sozialen, körperlichen oder geistigen Voraussetzungen.4. Erhöhte Reichweite:
Eine barrierefreie Webseite zieht eine breitere Nutzergruppe an und steigert somit die Reichweite.Web Content Accessibility Guidelines (WCAG)
Die WCAG definieren Anforderungen für barrierefreie Webseiten. Sie bestehen aus drei Stufen und einer Art „Punktesystem“:
Stufe A ist leicht zu erfüllen und beinhaltet nur 25 Kriterien.
Stufe AA ist schon ein bisschen schwieriger zu erfüllen und beinhaltet 38 Kriterien.
Stufe AAA ist die höchste Stufe und beinhaltet insgesamt 61 Kriterien für eine optimierte Accessibility.
Die vier Grundprinzipien der Accessibility
1. Wahrnehmbarkeit: Inhalte müssen für alle NutzerInnen wahrnehmbar sein. Dazu gehören Lesbarkeit, Farbkontraste und Textalternativen für multimediale Inhalte.
2. Bedienbarkeit: Die Benutzeroberfläche muss so gestaltet sein, dass sie von Personen mit unterschiedlichen Fähigkeiten bedient werden kann. Dazu zählen bedienbare Elemente ohne Maus und verständliche Links.
3. Verständlichkeit: Navigation und Inhalte sollten klar strukturiert und verständlich sein, einschließlich der Sprache und des Schreibstils.
4. Robustheit: Inhalte sollten sowohl für Menschen als auch für Technologien (z. B. Screenreader) zugänglich sein. Dies erfordert validen Code und sinnvolles Labelling.
Das ist natürlich nur mal grob zusammengefasst. Wer tiefer in die Materie gehen will,
schaut sich am besten die aktuellen Detailkriterien der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) an.
An diesen Schrauben könnt ihr drehen
Inhalt
Content muss leicht verständlich aufbereitet sein. Vermeidet tief verschachtelte Sätze, viele Abkürzungen und Fremdwörter (wenn möglich). Eure Inhalte sollen auch für Menschen mit kognitiven Einschränkungen gut verständlich sein. Dies betrifft natürlich nicht nur Texte, sondern auch Grafiken, Audio- und Video-Content.Design
Zu kleine Schriften, zu geringe Kontraste, die falsche Farbwahl – das sind nur ein Paar der Probleme, die wir häufig bei Webseiten sehen. Eine Webseite soll so gestaltet sein, dass sie auch für ältere Menschen oder Menschen mit Farbfehlsichtigkeiten wie beispielsweise einer Rot-Grün-Schwäche funktioniert. Hier kommt auch wieder eines der Website Grundprinzipien ins Spiel: „Design follows function“.Technik
Zu guter Letzt kommt dann natürlich auch noch die Technik. Viele Menschen sind auf technische Hilfsmittel wie beispielsweise Screenreader angewiesen. Mit der richtigen Kennzeichnung können alle Website-Inhalte damit problemlos ausgelesen und verstanden werden.Fazit:
Die Berücksichtigung von Barrierefreiheit auf Webseiten ist nicht nur eine gesetzliche Verpflichtung, sondern auch eine Chance, die Nutzererfahrung zu verbessern. Erfahrene WebdesignerInnen und SEO-ExpertInnen decken meist schon beim Aufbau bzw. beim Website Konzept eine Vielzahl an Kriterien ab. Obwohl barrierefreie Webseiten derzeit noch nicht für alle Unternehmen verpflichtend sind, sollten wir bedenken, dass nicht nur bestimmte Nutzergruppen davon profitieren, sondern alle Menschen – auch wir selbst in Zukunft.
Nadja Kaserer
Digital Design, UX/UI